Teilprojekt Kooperative Lichtsignalanlage

Die Grundidee

Kernziel dieses Teilprojektes ist die multimodale Optimierung des Verkehrsflusses an ausgewählten Ampeln (techn.: Lichtsignalanlagen) in Jena. Multimodal meint dabei, dass alle Verkehrsarten gleichermaßen berücksichtigt werden – Fuß- und Radverkehr, Straßenbahnen und Busse genauso wie der Kfz-Verkehr.

Die Optimierung der Ampelschaltungen erfolgt zentral auf einem Server. Die notwendigen Daten werden kontinuierlich und in Echtzeit über das 5G-Netz übertragen. Dazu gehören zum einen die Eingangsdaten für die Optimierung – also Informationen über alle Fahrzeuge und Personen, die sich der Ampel nähern. Zum anderen sind es die Steuerbefehle, d.h. wann welcher Signalgeber auf Rot oder Grün schaltet.

Als Optimierungskriterium dienen klassische Qualitätskenngrößen im Verkehr. Eine maßgebende Zielstellung ist beispielsweise die Gesamtwartezeit aller Beteiligten zu minimieren. Eine Straßenbahn mit vielen Fahrgästen hat hierbei ein höheres Gewicht als einzelne Pkws. Aber auch eine Schulklasse, die die Ampel queren möchte, würde durch die multimodale Optimierung eine stärkere Berücksichtigung finden.

Vernetzter Verkehr

Eine Datenquelle der kooperativen Lichtsignalanlage (kLSA) sind Nachrichtentelegramme des vernetzten Verkehrs. Dabei handelt es sich um standardisierte Datenformate, die über den 5G-Funkstandard zwischen Fahrzeugen, Infrastruktur oder Mobiltelefonen ausgetauscht werden. Fahrzeuge beispielsweise versenden sogenannte CAM-Telegramme (Cooperate Awareness Message). Darin sind neben vielen weiteren Inhalten die aktuelle Position, die Geschwindigkeit und der Fahrzeugtyp enthalten. Analog können 5G-Mobilfunkgeräte von Radfahrenden oder zu Fuß Gehenden sogenannte VAM-Telegramme (Vulnerable Road User Awareness Message) mit ähnlichen Inhalten übertragen.

Die Nachrichten werden über Direktkommunikation an Empfangseinheiten der Ampeln – sogenannte Roadside Units (RSU) – gesendet. Über einen zentralen Datenbroker werden sie dem Optimierungsalgorithmus zur Verfügung gestellt. Mittels dieser Nachrichten gelingt es, ein möglichst vollständiges Bild aller Personen, Fahrzeuge und deren Bewegungen an einem signalisierten Knotenpunkt zu bekommen. Die möglichen Empfangsreichweiten dieser Nachrichten reichen insbesondere für Fahrzeuge bis zu mehreren 100 Metern. Dadurch kann das Optimierungsverfahren recht weit „in die Zukunft sehen“, um zu ermitteln, welche Fahrzeuge oder Personen wann eine Grünphase benötigen.

Die Ausrüstungsraten der notwendigen Technik zum Erzeugen dieser Nachrichten des vernetzen Verkehrs sind aktuell noch extrem niedrig. Im Projekt wird deshalb ersatzweise Detektionstechnik an den Ampelanlagen verbaut werden müssen. Nur so kann die erforderliche Datengrundlage des Optimierungsverfahrens gesichert werden. Mit zunehmender Erneuerung der Fahrzeugflotten und Mobiltelefone in den nächsten Jahren wird dieser Zusatzaufwand tendenziell nicht mehr nötig sein.

Optimierungsverfahren

Das zentrale Optimierungsverfahren basiert auf dem Reinforcement Learning. Dabei handelt es sich um ein künstliches neuronales Netz, welches selbstständig eine Strategie erlernt, um kontinuierlich eine Belohnung zu erhöhen. Im konkreten Falle wäre die Belohnung besonders hoch, wenn die Wartezeiten aller Fahrzeuge und Personen in Summe möglichst niedrig ausfallen. Eine Straßenbahn mit vielen Fahrgästen hat auf die Wartezeitsumme natürlich einen größeren Einfluss, als einzelne Pkws und würde wahrscheinlich eher Grün bekommen. Genauso würden größere Fußgängergruppen eher eine hohe Priorität erhalten.

Als Eingangsdaten dienen dem Optimierungsverfahren einerseits die Daten des vernetzten Verkehrs. Zusätzlich können durch die Stadt Jena Daten aus dem Umwelt- und Verkehrsmanagement bereitgestellt werden. Auch aus der Leitzentrale des Jenaer Nahverkehrs werden Betriebsdaten der Busse und Bahnen im Umfeld der relevanten Ampelkreuzungen übermittelt. Hat eine Bahn beispielsweise Verspätung, kann sie noch stärker bevorrechtigt werden. Ist sie hingegen zu früh, müssten andere Verkehrsströme nicht direkt auf Rot geschalten werden, solang die Bahn an der Ampel ihre Verfrühung nicht abgebaut hat. Sämtliche Daten werden dem Optimierungsalgorithmus über das 5G-Netz kontinuierlich und in Echtzeit bereitgestellt.

Das Team

Die Professur für Verkehrsprozessautomatisierung (VPA) an der Technischen Universität Dresden (TUD) forscht auf den Gebieten der Intelligenten Verkehrssysteme, Fahrerassistenzsysteme, Verkehrsmanagement und Datenanalyse. Dabei stehen Methoden der Datenanalyse (u.a. maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz) und der Regelungstechnik (u.a. modellprädiktive Regelung) sowie die Simulation der Verkehrssysteme im Vordergrund. Besonderes Augenmerk wird daraufgelegt, alle bodengebundenen Verkehrsmittel, wie Fahrrad, Straßenbahn, Vollbahn, Bus, aber auch motorisierten Individualverkehr und Lieferverkehr gleichermaßen und in ihrer Gesamtheit als Verkehrssystem mit ihren sozialen, ökologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen und Auswirkungen zu betrachten. Diese umfangreiche Expertise wurde bereits in zahlreichen EU- und Bundesministeriumsprojekten sowie Projekten mit diversen Kommunen und Verkehrsträgern eingebracht und erweitert. Die Professur leitet das Teilprojekt kooperative Lichtsignalanlage kLSA und verantwortet dessen inhaltliche Bearbeitung. Des Weiteren bringt sich die Professur mit ihrer Expertise zur Algorithmenentwicklung und Simulation in das Teilprojekt Kollisionsvermeidung ein.