Ziele "Digitale Infrastruktur und Datenpolitik"

Im Folgenden werden die strategischen Ziele für Handlungsfeld 1 erläutert. Sie stellen eine Konkretisierung bzw. Untersetzung der formulierten Ziele der Gesamtstrategie speziell im Themenfeld „Digitale Infrastruktur und Datenpolitik“ dar.

Urbane Daten und Ihre Nutzung dienen dem Gemeinwohl

Dies ist eine Selbstverständlichkeit, die für Daten ebenso wie für alle anderen Aufgabenfelder des Stadtverbundes gilt. Wir dürfen dieses Ziel aber damit nicht als „selbstverständlich erfüllt“ abhaken, denn es wird nicht automatisch erreicht. Daten müssen verfügbar werden, der gemeinwohlorientierten Nutzung zugänglich gemacht und vor Missbrauch geschützt werden.

Dazu unterstützen wir die Bereitstellung von Daten und WISSEN für alle Bereiche des städtischen Lebens. Die Datenbestände werden nach einheitlichen Prinzipien erschlossen und zugänglich gemacht, damit sie Informationen liefern und eine gute Grundlage für Mehrwerte im Sinne des Gemeinwohls bilden. Zur Nutzung und Auswertung der Daten werden geeignete Tools sowie Schnittstellen für Entwicklungen anderer Akteur:innen bereitgestellt. Die Mehrung und Nutzung des urbanen Datenschatzes bildet die Grundlage der Nutzung der Digitalisierung für unsere Stadt und insbesondere für alle konkreten Smart City-Projekte.

Damit schaffen wir einen digitalen Raum für Kommunikation, Erfahrung, Bildung und lokale Wirtschaft. Dabei sollen die kommunalen, also mit öffentlichen Geldern finanzierten, Daten in der Regel kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Ein Preis sollte jedoch dann fällig werden, wenn privatwirtschaftliche Akteur:innen aus der Datennutzung einen Gewinn generieren, ohne dem Gemeinwesen etwas zurückzugeben.

Datenschutz und Datensicherheit müssen dabei gewährleistet werden. Vor allem die personenbezogenen Daten von Bürger:innen unterliegen strengen Datenschutzregeln, welche auch im Urban Data-Kontext umgesetzt werden. Datensätze, die persönliche Informationen enthalten, dürfen nur verfügbar gemacht werden, wenn sie ausreichend aggregiert und anonymisiert werden. Dazu müssen fachliche bzw. inhaltliche und technische Vorkehrungen getroffen werden.

Es gilt unsere digitale Souveränität als Stadtverbund zu wahren, das heißt das Aufrechterhalten eines selbstbestimmten Handelns in Bezug auf alle Aspekte der Digitalisierung. Dazu müssen alle Beteiligten über die Ausgestaltung digitaler Infrastruktur, einzusetzende Software und vor allem die urbanen Daten selbst entscheiden können. Deswegen wollen wir unsere technologische Souveränität wahren, indem Abhängigkeiten von Herstellerunternehmen im Software-, aber möglichst auch im Hardwarebereich vermieden und zurückgedrängt werden. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, quelloffene (Open Source-)Software überall, wo es möglich ist, einzusetzen.

Gleichzeitig ergeben sich daraus Chancen zu Förderung der Jenaer Digitalwirtschaft. Gemeinsame Projekte unter Nutzung der Urbanen Datenplattform (UDP) können hier sehr wertvoll sowohl für die Unternehmen als auch für die städtischen Akteur:innen sein. Für beide Seiten erhöht das die Potentiale für eine eigenständige Rolle gegenüber den big playern des Digitalmarktes. Zugleich liegen hier Schnittmengen zu den übrigen Handlungsfeldern der Smart City Jena vor, vor allem natürlich zum Handlungsfeld „Wirtschaft und Wissenschaft“. Wir sehen das Handlungsfeld „Digitale Infrastruktur und Datenpolitik“ dabei in der Funktion eines Ermöglichers und Unterstützers für die anderen Handlungsfelder. Letztlich ist es nicht entscheidend, welchem Handlungsfeld ein Projekt oder Anwendungsfälle (Use Case) zugeordnet werden, sondern dass die Umsetzung erfolgreich gelingt.

Die Stadtgesellschaft gestaltet urbane Daten

Als Stadtverbund verstehen wir uns als Sachwalter, Treuhänder, Dienstleister im Auftrag des Gemeinwohls und damit der Stadtgesellschaft. Dies gilt in der analogen Welt ebenso wie im digitalen Datenraum. Jenaer Daten gehören allen, die hier leben, arbeiten und lernen. Daher muss es letztlich die Stadtgesellschaft selbst sein, die über urbane Daten bestimmt. Daraus leitet sich auch das Ziel ab, dass möglichst viele Daten von verschiedensten Seiten zur Verfügung gestellt und für die Allgemeinheit nutzbar gemacht werden.

Dazu unterstützen wir alle Akteur:innen der Stadtgesellschaft dabei, einen Beitrag zum urbanen Datenraum zu leisten. Urbane Daten sind nicht nur Daten des Stadtverbundes. In allen Bereichen können andere Akteur:innen ebenso wertvolle Beiträge leisten: seien es Forschungseinrichtungen, die Daten mit Bezug zum Jenaer Stadtgebiet haben, seien es Vereine mit ihren Angeboten, Dienstleistungs-unternehmen im Bereich der Mobilität oder auch Einzelpersonen mit Sensoren zu Umweltdaten. Wir wollen transparente und nutzungsfreundliche Möglichkeiten im urbanen Datenraum schaffen, um die Akteur:innen einzuladen und zu motivieren, Daten bereitzustellen und damit zum gemeinsamen Schatz urbaner Daten beizutragen. 

Die Stadtgesellschaft soll die Grundsätze der städtischen Datenpolitik mitbestimmen. Der urbane Datenraum muss gemeinsam von Stadt bzw. Kommunalpolitik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gestaltet werden – also der bewährten Partnerschaft von Akteur:innen, die Jena seit dem Wirken von Carl Zeiß und Ernst Abbe so erfolgreich prägen.

Wir unterstützen Projekte zu Innovation und Evaluation im Urban Data-Bereich und wollen Projektideen aufgreifen und initiieren, die unseren urbanen Datenraum auf verschiedenste Weise voranbringen können. Dabei sind die verschiedensten Projektinhalte denkbar und erwünscht: von Informatik im engeren Sinne über MINT, Umweltwissenschaften bis zu Bildungsforschung, Sozial- und Geisteswissenschaften.

Moderne urbane Dateninfrastruktur schaffen

Der urbane Datenraum benötigt eine entsprechende technische Infrastruktur. Diese Basis wird von der Stadt Jena geschaffen, wobei Möglichkeiten der Weiterentwicklung und der Verknüpfung mit anderen Systemen von vornherein beachtet und umgesetzt werden. Dabei wollen wir in Kooperation mit anderen Jenaer Akteur:innen und Kommunen arbeiten.

Dazu wird eine übergreifende Dateninfrastruktur („System der Systeme“) benötigt, um den vollen Nutzwert der Daten zu erschließen. Die Dateninfrastruktur soll in einem umfassenden und weitblickenden Ansatz so gestaltet werden, dass sich vielfältige Daten problemlos integrieren und zur Verfügung stellen lassen. So können auch zu späteren Zeitpunkten neue Anwendungsfälle entwickelt und effizient umgesetzt werden, selbst wenn diese gegenwärtig noch nicht bekannt oder entwickelt sind. Darin sehen wir einen wichtigen Ansatz zum nachhaltigen und effizienten Betrieb des Gesamtsystems.

Notwendig sind auch zusätzliche Infrastrukturen, die neue Daten über unsere Stadt verfügbar machen. Obwohl bereits sehr viele Daten aus allen Tätigkeitsbereichen des Stadtverbundes vorliegen, geht noch mehr! Echtzeitdaten insbesondere im Verkehrsbereich und ein engmaschiges Netz von Umweltsensoren können auf der strategisch-planerischen wie auch auf der operativen Ebene großen Nutzen stiften. Die möglichen Anwendungen reichen von der verbesserten Steuerung des Verkehrsflusses über bedarfsgerechtes Wässern von Bäumen bei lokaler Austrocknung des Bodens bis hin zu hoch aggregierten Daten als Grundlage der Stadtplanung im Verkehrs-, Umwelt- und Klimabereich. Dafür sind in vielen Fällen neue technische 

Infrastrukturen erforderlich, insbesondere Sensornetze und deren Anbindung an Infrastrukturen für Empfang und Speicherung der Sensordaten. Diese Infrastrukturen wollen wir aufbauen und nachhaltig betreiben. Aber auch die Daten aus dem 5G-Innovationswettbewerb-Projekt „Jena 5G_V2X“G bergen ein großes Potential. Hier geht es darum, große Datenmengen intelligent zu aggregieren und über die Echtzeitanwendungen hinaus nutzbar zu machen.

Es soll ermöglicht werden, Daten aus den Plattformen und Infrastrukturen aller Akteur:innen in Jena und anderer Kommunen zu erhalten und dorthin zu liefern. Dazu gilt es, mit den Partnerinstitutionen gemeinsame inhaltliche und technische Herangehensweisen zu entwickeln, um Plattformen effektiv zu verknüpfen. Damit können Daten über unsere Stadt synergetisch genutzt werden und einen höheren Mehrwert für die Stadtgesellschaft liefern. Ähnliches gilt für die urbanen Datenplattformen anderer Städte. Hier geht es weniger um die gegenseitige inhaltliche Ergänzung von Datenbeständen, sondern um die Vergrößerung der Datengrundlagen zu spezifischen Themen. Dafür ist eine interkommunale Verknüpfung der Plattformen sinnvoll und wir wollen dies aktiv vorantreiben.

Wir setzen dabei Standards für urbane Daten um, wirken bei ihrer Weiterentwicklung mit und teilen unser Wissen mit anderen Akteur:innen. Die Kommunen sollten nicht für sich allein ihren Weg bei der Nutzung urbaner Daten und der Schaffung der nötigen Infrastruktur gehen. Dazu sollte auf technischer Ebene eine Kompatibilität hergestellt werden. Zu diesem Zweck existieren Standards, die die Architektur von Plattformen insgesamt betreffen ebenso wie Datenformate und Protokolle zum Datenaustausch. Diese Standards werden wir konsequent umsetzen. Darüber hinaus bringen wir uns in deren Weiterentwicklung ein, da sie keine statischen, „fertigen“ Konstrukte sind.

Der Stadtverbund wird zum Vorreiter für urbane Datennutzung

Eine Smart City und insbesondere ein gemeinwohlorientierter Ansatz für einen urbanen Datenraum sind neue Ansätze und gehen über den bisherigen Erfahrungshintergrund von Kommunalpolitik und Mitarbeitenden im Stadtverbund hinaus. Aber auch die gesamte Stadtgesellschaft steht vor einem Lernprozess, wenn die Möglichkeiten urbaner Daten umfassend genutzt werden sollen. Diese doppelte Herausforderung nehmen wir an und wollen als Stadtverbund eine aktive und vorantreibende Rolle in unserer Stadt einnehmen.

Dazu unterstützen wir den bewussten Umgang mit Daten (Data Awareness) im Stadtverbund und das Annähern an „Data Excellence“. Alle, die im Stadtverbund mit Daten arbeiten, sollen sich darüber klar werden, dass diese Daten einen hohen Wert haben und der Allgemeinheit gehören. Daraus folgt, dass man sorgfältig mit diesen Daten umgeht und diese für eine Verwendung außerhalb des eigenen Bereichs zur Verfügung stellt. Wir brauchen diesen neuen Umgang mit Daten durch alle – Data Awareness – dringend und werden ihn realisieren. Dies ist Voraussetzung, um Data Excellence zu erreichen – also hochqualitative, bedarfsgerechte und dokumentierte Daten als ein wichtiges Produkt einer modernen Verwaltung zur Verfügung zu stellen.

Der grundsätzlich offene Zugang zu Daten und Informationen der Verwaltung muss gewährleistet werden. Das Prinzip „Open by Default“ ist die entscheidende Grundlage eines offenen Verwaltungshandelns und eines urbanen Datenraums. Standardmäßig werden all unsere Daten öffentlich zugänglich, es sei denn Datenschutz- oder Sicherheitsbelange stehen dem entgegen. In diesem Fall müssen die Daten anonymisiert oder aggregiert verfügbar gemacht werden. Dafür sind verbindliche Regeln für den Stadtverbund nötig.

Der urbane Datenraum bildet sowohl eine Herausforderung als auch auch eine Chance für alle Arbeitsprozesse. Er ist letztlich nichts anderes als die digitale Entsprechung oder Erweiterung des realen Raums, in dem der Stadtverbund tätig ist. Aus dieser Sichtweise heraus ist der urbane Datenraum ein notwendiger Bestandteil der Arbeit im Stadtverbund und muss entsprechend in Prozesse und Regelungen integriert werden. Datenbereitstellung, Datenpflege und Datennutzung über die Urbane Datenplattform sind Teile eines einheitlichen Prozesses, den wir in allen Bereichen verankern müssen.