Ziele Handlungsfeld 2 "Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr"

Im Folgenden werden die strategischen Ziele für Handlungsfeld 2 erläutert. Sie stellen eine Konkretisierung bzw. Untersetzung der formulierten Ziele der Gesamtstrategie speziell im Themenfeld „Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr“ dar.

Städtische Wohn- und Lebensqualität

Im Rahmen des Smart City Modellprojektes wollen wir neue Technologien und smarte Anwendungen entwickeln und nutzen, um die Wohn- und Lebensqualität für die Bürger:innen in Jena zu verbessern. Wichtig dabei ist, dass die Anwendungen dem Gemeinwohl dienen. Darunter verstehen wir, dass sie einem bestehenden Bedarf entsprechen, dass mit ihnen ein tatsächlicher Mehrwert entsteht und dass sie „inklusiv, bezahlbar, sicher und für alle verfügbar sind“.

Vor diesem Hintergrund wollen wir Maßnahmen umsetzen, die einen Beitrag zur Lösungen im Umgang mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen darstellen: Ein großer Bedarf ergibt sich dabei aus dem voranschreitenden demographischen Wandel, konkret aus der zunehmenden Alterung der Gesellschaft. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten wird diese in Deutschland gemäß Prognosen weiter stetig ansteigen: Lag der Anteil der über 67-Jährigen an der Gesamtbevölkerung 2019 noch bei 20 %, wird er im Jahr 2035 voraussichtlich bei etwa 25 % liegen. In Jena wird der Anteil der über 65-Jährigen im Jahr 2035 voraussichtlich bei 24 % liegen, was einer Anzahl von rund 25.700 Einwohner:innen entspricht. Demnach gibt es eine stetig wachsende Bevölkerungsgruppe mit ganz spezifischen Anforderungen an die Wohn- und Lebensqualität. Das gilt insbesondere für die Themenfelder Gesundheit bzw. Gesundheitsversorgung, Pflege, gesellschaftliche Teilhabe und altersgerechtes Wohnen.

Zur Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität gehört für uns auch die Etablierung neuer und flexibler Mobilitätsformen und -angebote. Mobilität ist zentral für Teilhabe, Beschäftigung, Wirtschaft und die Lebendigkeit der Stadt. Allgemein nimmt das Verkehrsaufkommen in den Städten stetig zu, das gilt sowohl für den motorisierten Pendler- und Güterverkehr, für den ÖPNV sowie auch für den Rad- und Fußverkehr. So steigt in Jena beispielsweise die Zahl der Einpendler:innen bisher stetig an. Lag der Pendlersaldo 2010 noch bei 12.211 Personen, stieg er bis 2020 um rund 25 % auf 15.331 Personen an. Aufgrund der eingeschränkten Flächenverfügbarkeit kommt es deshalb zunehmend zu konkurrierenden Nutzungsansprüchen. Für Jena verschärft sich die Situation zusätzlich aufgrund der Tallage, durch die sich die Verkehrsachsen im zentralen Stadtgebiet konzentrieren und auch Stadträume zerschneiden. Gleichzeitig steigen Wunsch und Notwendigkeit Städte grüner, lebenswerter und mit hoher Aufenthalts- und Umweltqualität zu gestalten. Vor allem für die innerstädtische Mobilität gilt es deshalb, neue Formen zu etablieren und digitale Technologien zu nutzen, um den Verkehr so effizient, effektiv und stadtfreundlich wie möglich zu machen. Konkret meint das, alternative Angebote im Individualverkehr zu schaffen (Sharing-Angebote für PKW, E-Roller, E-Lastenräder), die Ladeinfrastruktur auszubauen, die neuen und bestehenden Mobilitätsangebote sichtbar zu machen, zu verknüpfen und Daten zu nutzen, um Verkehrsrouten oder die Nutzung von Verkehrsmitteln zu optimieren.

Daneben wollen wir auch personenbezogene Dienstleistungen als Alltagserleichterung bereitstellen und bestehende Angebote aufwerten. Im Rahmen des Handlungsfeldes soll der Fokus vor allem auf der Datennutzung und damit auf dem unmittelbaren Nutzen für die Bürger:innen liegen. Urbane Daten, Informationen und WISSEN sollen für die Stadtgesellschaft in Wert gesetzt werden, d.h. sie sollen so transformiert werden, dass sie eine Grundlage für möglichst praktische und übersichtliche Anwendungen bilden, die die Bürger:innen als Dienstleistung zur Erleichterung ihres Alltages nutzen können. Nicht zuletzt wollen wir im Rahmen des MPSC auch die Aufenthaltsqualität der städtischen Räume verbessern, funktional als Ort für Freizeit, Erholung, Begegnung, Tourismus und Kultur, Handel, Wirtschaft und Versorgung, als Ort der Identifikation und Gestaltung. Smarte Anwendungen und Technologien können neue Impulse und Möglichkeiten eröffnen, um Jena für Bürger:innen und Gäste als lebenswerte, lebendige und erlebbare Stadt weiterzuentwickeln und die Transformation hin zu einer digitalen Stadt auch im physischen Stadtraum abzubilden.

Nachhaltige und ressourceneffiziente Entwicklung des Stadtraumes

Mit dem Smart City Modellprojekt wollen wir mit Hilfe von smarten Anwendungen eine nachhaltige und ressourceneffiziente Entwicklung der Stadt ermöglichen. Dieses zweite Ziel im Handlungsfeld „Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr“ steht unter der Prämisse, der global bestehenden Klima und Umweltkrise „mit höchster Priorität zu begegnen“ und diese Priorität auch in entsprechenden konkreten Maßnahmen abzubilden. Nachhaltigkeit bezieht sich hier demnach vornehmlich auf die ökologische Dimension – auch wenn soziale und wirtschaftliche Aspekte auch immer ein Teil dessen mitgedacht werden. Es gilt, in Jena weitere Voraussetzungen und Möglichkeiten für Klimaschutz und Klimaanpassung zu schaffen und knappe (Umwelt-) Ressourcen effizienter einzusetzen (Wasser, Energie, Flächen, Boden, Ökotope etc.).

Das bedeutet, dass wir Maßnahmen umsetzen wollen, die eine effizientere und nachhaltigere Flächenentwicklung und -nutzung ermöglichen: Die städtischen Flächen in Jena sind begrenzt und durch wachsende Siedlungs- und Verkehrsflächen entstehen zunehmend Nutzungskonflikte. Aufbereitete urbane Daten und neue, smarte Technologien sollen dabei helfen, den Stadtraum vorausschauender und fachübergreifender zu entwickeln und innovative Lösungen umzusetzen, die zwischen dem Flächenbedarf und dem Flächenverbrauch stadtverträglich vermitteln. Dabei ist es auch zentral, die Stadtgesellschaft in die Entwicklungsprozesse zu involvieren und die so Stadt so zu gestalten, dass sie von ihren Bewohnern getragen wird. Dazu können beispielsweise digitale Beteiligungsformate geschaffen werden, die attraktiv, übersichtlich und leicht zugänglich sind.

Ziel ist es auch, das Stadtklima zu verbessern und Wege zu finden, Ressourcen zu schonen. Dabei spielt die grün-blaue Infrastruktur als natürlicher und vielfältig wirksamer Puffer für die Folgen des Klimawandels und der Urbanisierung eine tragende Rolle. Moderne Technologien und Anwendungen sollen dazu eingesetzt werden das städtische Ökotop vielfältiger und nachhaltiger zu entwickeln.

Nicht nur im Bereich der Wohn- und Lebensqualität, sondern natürlich auch im Bereich Nachhaltigkeit ist das Thema Verkehr bzw. Mobilität sehr bedeutsam. Deshalb wollen wir auch unter diesem Aspekt hier die Organisation und die Angebote zukunftsfähiger machen. Entsprechend der städtischen Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen wir das Ziel, den Verkehrsfluss zu verbessern, die E-Mobilität auszubauen, den Anteil des motorisierten Individualverkehrs zu senken, mehr Sharing-Angebote verfügbar zu machen und multimodal nutzbare Mobilitätsangebote zu fördern.

Mitgestaltung und Teilhabe an Stadtentwicklungsprozessen

Im Rahmen des Smart City Projektes wollen wir der Stadtgesellschaft mit smarten Anwendungen Teilhabe und Mitgestaltung ermöglichen und erleichtern. Teilhabe und Mitgestaltung sind im Rahmen von urbanen Entwicklungsprozessen in den letzten Jahrzehnten – von Seiten der Politik und Verwaltung aber auch von Seiten der Bürger:innen – immer mehr in den Fokus gerückt. Das zunehmende Bedürfnis nach Beteiligung und Inklusion trägt dabei der Tatsache Rechnung, dass die Stadt nicht einfach nur verwaltet wird, sondern durch ihre Bewohner:innen belebt und gestaltet und dass die Bewältigung von Herausforderungen eine Gemeinschaftsaufgabe ist. Das Gefühl, Teil der Stadt oder des Quartiers zu sein, ist ein zentrales Element von Gemeinschaft und Gemeinwohl. Städtische Veränderungen und Transformationen, bei denen die Kompetenz der Bewohner:innen außen vor gelassen wird, laufen zudem Gefahr, in einer Sackgasse zu enden. Digitale Anwendungen ermöglichen es dabei, Beteiligung flexibler, transparenter, schneller und kostengünstiger zu realisieren.

Deshalb wollen wir neue, digitale Beteiligungsformate etablieren. Ein, wenn nicht das zentrale Element einer Smart City sind die Bürger:innen. Das Verhältnis zwischen Bürger:innen und (Stadt-)Verwaltung wird sich mit voranschreitender Digitalisierung mehr und mehr verändern, vor allem weil neue Technologien die „Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr“ Möglichkeiten, Ansprüche und Verhaltensweisen verändern. In der Privatwirtschaft ist digitalisierte Interaktion schon längst Realität. „Die Bürgerinnen und Bürger fordern heute Onlineserviceleistungen ebenso selbstverständlich ein, wie sie sich mehr Transparenz bei politischen Vorgängen und beim Verwaltungshandeln wünschen.“ Zudem braucht es für die Tragfähigkeit umfassender Transformationsprozesse Akzeptanz und Identifikation. Hieraus leitet sich das Ziel ab, die Kommunikation zwischen Stadt und Bürger:innen zu stärken und weiterzuentwickeln. Im Rahmen des Handlungsfeldes sollen dazu mit Hilfe von smarten Anwendungen und Tools neue, digitale Beteiligungsformate etabliert werden, die den Austausch zu städtischen Entwicklungen intensiver, attraktiver, anschaulicher und interaktiver machen.

Mitgestaltung und Teilhabe bedeutet auch, dass bestehendes Wissen und Informationen für die Stadtgesellschaft sichtbar und nutzbar gemacht werden. Geteilte Informationen und geteiltes Wissen schaffen Transparenz und Vertrauen. Die Generierung und Speicherung von Daten wird immer umfangreicher, was in Jena insbesondere durch das Smart City Modellprojekt beschleunigt wird. Die Datenproduktion ist dabei aber weder ein Selbstzweck noch dürfen urbane Daten etwas Exklusives sein. Sie müssen stattdessen als Gemeingut betrachtet und für die Bevölkerung in Wert gesetzt werden; sie müssen der Stadtgesellschaft dienen. Ein letzter wesentlicher Punkt, der die Ziele des Handlungsfeldes definiert, ist die Förderung von Teilhabe und Gemeinschaft. Das, was Stadt und Urbanität ausmacht, geht natürlich über eine bloße Ansammlung von Grundfunktionen wie Wohnen, Arbeiten, Bewegen, Versorgen etc. hinaus. Die Stadt ist vor allem auch ein Ort des gemeinsamen Umgangs miteinander, der als solcher von und durch seine Bewohner:innen stetig gestaltet wird. Als (stadt-)politische Institution kann Gemeinschaft gefördert und unterstützt werden, indem man Orte schafft oder zur Verfügung stellt, an denen eben genau diese Verbindung der Differenzen durch Begegnung und Austausch ermöglicht wird. Vor diesem Hintergrund sollen sowohl virtuelle als auch reale Begegnungsräume geschaffen und bestehende aufgewertet werden.